Liebe LeserInnen,
wie der aktuellen Presse zu entnehmen ist, hat der Saarbrücker Stadtrat am 07.02.2023 mit großer Mehrheit beschlossen, dass beim Essen für städtische Kitas und Grundschulen in Saarbrücken in diesem Jahr auf die Bio-Zertifizierung verzichtet werden soll. Der eine Grund sei, dass die Preise auf über vier Euro pro Essen gestiegen seien und dass diese Preise nicht mehr für alle Familien tragbar sind. Zudem gingen immer weniger Bewerbungen auf die Ausschreibungen ein, sodass keine wirkliche Auswahl mehr möglich gewesen sei.
Als seit Jahren seriös agierender Caterer mit einigen tausend Essen für Kindergärten und Schulen am Tag platzt mir – salopp gesagt – allein bei dieser Aussage schon der Kragen.
Statt Bio soll ab jetzt mehr auf regionale Produkte gesetzt werden.
Man ist der Meinung, dass so dann die Preise unter einer Grenze von 4,00 € gehalten werden können.
Schlechte Qualität durch günstigsten Einkauf – diese Rechnung kann nicht aufgehen, schon gar nicht bei den aktuellen Preisen für Lebensmittel, Energie und hohen Personalkosten.
Ich melde mich zu Wort, denn es ist definitiv nicht die Bio-Zertifizierung, die ein Problem darstellt (die DGE spricht eine Empfehlung von 10 – 20 % Bioanteil aus).
Diese Rechnung kann nicht aufgehen!
Ganz andere Dinge stellen das wirkliche Problem dar!
Hier zunächst ein paar Zahlen:
Momentan erhalten wir
für ein Krippe-Essen 2,40 € brutto, d. h., 2,24 € netto,
für ein Kita-Essen 3,70 € brutto, d. h., 3,46 € netto,
für ein Schulessen 3,90 € brutto, d. h., 3,64 € netto.
Wir rechnen monatlich mit einem Durchschnitt von 20 Essen pro Kind und wenden eine Mischkalkulation an.
Dies bedeutet,
Krippe-Essen bringen pro Monat 44,80 € netto,
Kita-Essen bringen pro Monat 69,20 € netto
Schulessen bringen pro Monat 72,80 € netto.
Davon werden die Mittagessen inklusive Dessert finanziert.
Unsere Kosten können durch diese Beträge nur ganz knapp gedeckt werden!
Und nun die Fakten, die einen 5-Tage-Plan (laut DGE-Zertifizierung) betreffen:
– Wir sind verpflichtet, 1 Vollkornprodukt, Nudeln, Kartoffeln, Reis sowie 1-mal Kartoffelerzeugnis zu liefern.
– Wir müssen 5-mal pro Woche Gemüse oder Salat liefern, davon mindestens 2-mal Rohkost und mindestens 1-mal Hülsenfrüchte.
– Obst (frisch oder Tiefkühlware) muss 2-mal pro Woche geliefert werden, ohne Zucker und Süßungsmittel, davon 1-mal Stückobst und wenn möglich regional.
– Milch und Milchprodukte müssen folgende Kriterien einhalten: Milch, Naturjoghurt und Buttermilch müssen 3,8 % Fett enthalten, Speisequark darf maximal 5 % Fett absolut enthalten.
– Fleisch darf maximal 1-mal pro Woche angeboten werden, dabei muss es sich 2-mal in 4 Wochen um mageres Muskelfleisch handeln.
– Fisch muss 1-mal pro Woche angeboten werden, dabei muss es sich um fettreichen Fisch mit MSC-Qualität handeln.
– Als Standardfett darf nur Rapsöl verwendet werden.
– Es darf nur 1-mal pro Woche eine frittierte oder panierte Speise angeboten werden.
– Es wird empfohlen, überwiegend regionale und saisonale Produkte zu liefern.
– Außerdem wird empfohlen, Fairtrade-Produkte zu verwenden.
– 20 % Bioanteil wird empfohlen.
Diese Fakten zeigen, dass die DGE-Zertifizierung mit enormem Aufwand und hohen Kosten einhergeht. Es ist jedoch auch keine Option, dass wir als Caterer uns nicht zertifizieren lassen, da allen Kitas und Schulen empfohlen wird, nur zertifizierte Anbieter zu nutzen.
Somit hätten wir am Markt ohne die Zertifizierung keine Chance.
Würden wir die Richtlinien nicht einhalten, würde uns die Zertifizierung nach dem Audit direkt entzogen und wir würden ein neues Audit gar nicht erst bestehen!
Es ist wichtig, zu erkennen, dass es nicht damit getan ist, einfach „Bio“ zu streichen, denn dadurch lassen sich die Preise nicht senken!
Wir gehen sogar den umgekehrten Weg, bauen den Bioanteil kontinuierlich aus, beziehen zum Beispiel Biofleisch vom Hofgut Imbsbach.
Durch die Zusammenarbeit mit unserem Partner, der Naturlandstiftung Saar, haben wir die Möglichkeit gewonnen, regionales Biofleisch großteilig geliefert zu bekommen. Speziell aufgrund dieser Möglichkeit haben wir unser Team um zwei eigene Metzger erweitert.
Wir müssen kreative Lösungen haben, um die Preise halten zu können. Die Endverarbeitung Inhouse ist kostengünstiger, als alles fertig zerkleinert geliefert zu bekommen.
Die steigenden Preise pro Mittagessen lassen sich durch die von mir aufgeführten Fakten und durch generell steigende Lebensmittelpreise, Energiepreise und Lohnanpassungen erklären.
Auch ist es nicht damit getan, auf regional und saisonal zu setzen, denn dann bekämen die Kinder z. B. keine Bananen, keine Ananas und keine Zitrusfrüchte mehr. Die Liste wäre unendlich.
Die Kleinen wären sicherlich nicht begeistert, wenn sie ab jetzt nur noch Äpfel, Birnen und vielleicht noch Pflaumen essen dürften.
Es stimmt, dass die steigenden Essenspreise ein immer ernster werdendes Problem darstellen und dass die Kinderarmut im Saarland stetig zunimmt.
Die Inflation steigt permanent an, die Familien sollen entlastet werden.
Doch was ist mit uns Caterern?
Wir sind ebenfalls von der Inflation betroffen und müssen dafür sorgen, dass wir unsere Kosten gedeckt bekommen und das nicht für lau!
Es kann nicht sein, dass auf uns Caterer die Verantwortung übertragen wird, dass sich Familien das Essen für ihre Kinder leisten können.
Andere Bundesländer und Großstädte wie Hamburg subventionieren das Essen der Kinder.
Hier hat man erkannt, dass staatliche Hilfen notwendig sind.
Nur das Saarland ist völlig rückständig, daher wenden wir uns nun auch an die zuständigen Ministerien.
Stimmt es wirklich, dass staatliche Hilfen für Caterer nicht möglich sind?
Sollen die Caterer auf eigene Kosten und Verantwortung dafür sorgen, dass die Kinder vernünftiges und gesundes Essen bekommen?
Dies ist in meinen Augen definitiv nicht der richtige Weg, denn so wird es uns Caterern zukünftig nicht mehr möglich sein, qualitativ hochwertiges Essen zu liefern!!!
Wir wollen beim hohen Qualitätsstandard, den wir nach jahrelanger mühevoller Arbeit erreicht haben, keine Rückschritte machen.
Niemand möchte an der Qualität seines Essens sparen!
Das möchten Sie als Eltern auch nicht!
Des Weiteren möchten wir nicht, dass unsere geschätzten Mitarbeiter nur den Mindestlohn erhalten, sondern dass sie für ihre große Leistung, die sie jeden Tag aufs Neue bringen, den verdienten Lohn erhalten.
Es ist Zeit, dass ein Umdenken einsetzt und dass die Kommunen, das Land und der Staat handeln.
Aber nicht, indem „Bio“ ausgesetzt wird!
Es sollte vielmehr geschaut werden, wie seitens des Staates eine Unterstützung und Entlastung der Familien und der Caterer möglich gemacht werden kann.
Ideen dafür:
- Kommunen, Land oder Staat zahlen dem Caterer einen Betrag X pro Essen dazu.
- Sie lassen Eltern einen Betrag X zukommen – wenn ein Essen 4,00 € kostet, zahlen Eltern 3,00 €, 1,00 € zahlt die Kommune, das Land oder der Staat.
- Der Caterer stellt den Betrag X bei den Ämtern in Rechnung.
Hamburg macht es uns vor, dort wird das Mittagessen pro Kind und Tag mit 0,60 € subventioniert.
Ich hoffe, Sie verstehen auch unsere Situation.
Wir Caterer werden oft alleingelassen oder stehen als die Deppen der Nation da – zum Leidwesen unserer und Ihrer Kinder.
Ich bin selbst Mutter zweier Söhne und kenne auch privat den Spagat zwischen den steigenden Einkaufskosten und dem Wunsch nach einem gesunden Essen, das die Kinder auch mögen.
Ich hoffe, mein Statement regt zum Nachdenken an.
Ihre Heike Rettel
Mutter und Unternehmerin